9.000 Kilometer für ein sicheres Leben
„Der erste Schritt ist der Schwierigste.“ Mit diesen Worten blickt Elvan Muhammad auf ihre Flucht aus dem Kriegsgebiet in Syrien zurück. Heute lebt Elvan in Wuppertal-Langerfeld, arbeitet bei Vebego im Vertriebsinnendienst und ist stolz auf das, was sie in ihrem Leben erreicht hat. Wir freuen uns, dass sie diese besondere Lebensgeschichte mit uns teilt.
Aufgewachsen in Nord-Aleppo
Elvan Muhammad ist 1988 im syrischen Nord-Aleppo geboren und dort mit insgesamt acht Geschwistern aufgewachsen. Im Laufe ihrer Schulzeit hat sich mehr und mehr ihr Interesse für Ästhetik herauskristallisiert. Den Schwerpunkt „Fashion Design“ im Abitur sowie das anschließende Studium für Innenarchitektur zu wählen, waren damit keine schweren Entscheidungen für sie. „Räume so zu gestalten, dass sich Menschen darin wohlfühlen, war schon immer mein Traumjob.“ Umso schwerer fiel ihr die Entscheidung, das alles aufgeben zu müssen. Denn der im Jahr 2011 ausgebrochene Bürgerkrieg in Syrien zwang sie dazu, ihre Heimat für ein sichereres Leben hinter sich zu lassen. Mit der Entscheidung, Syrien zu verlassen, begann für sie und ihren Mann eine lange Reise mit vielen Rückschlägen und lebensgefährlichen Situationen.
Der lange Weg nach Deutschland
Der erste Stopp führte Elvan in den Irak. Nachdem ihr neuer Arbeitgeber kein Gehalt zahlte, versuchte sie sich mit einer eigenen Boutique selbstständig zu machen. Doch der erhoffte Erfolg blieb leider aus, sodass sie das Geschäftsmodell aufgeben und sich erneut neu orientieren musste.
Im selben Jahr ging es dann noch zurück über Syrien in die Türkei. Hier lebte Elvan insgesamt drei Jahre. Sie beschreibt das Jahr 2014 als ihren persönlichen Tiefpunkt: Keine Arbeit. Die Ersparnisse waren aufgebraucht. Elvan musste sogar ihre eigenen Kleidungsstücke verkaufen, um sich Lebensmittel leisten zu können.
„Wir hatten also erst recht kein Geld für eine organisierte Flucht in den Westen. Daher schlossen wir uns 2014 einer kleinen Gruppe an, die sich auf eigene Faust nach Bulgarien aufmachen wollte“, erklärt Elvan. Ganze drei Tage kämpften sie sich durch Wälder und Dörfer. Immer im Hinterkopf, dass viele Flüchtige diese Reise mit ihrem Leben bezahlen. Elvans Gruppe ist nichts Schlimmes passiert. Dennoch wurden sie von der bulgarischen Polizei bei der Überschreitung der Grenze festgenommen. Nach 15 Tagen im Gefängnis kam Elvan in ein Flüchtlingsheim und suchte sich dort selbst eine Aufgabe. „Ich konnte nicht einfach nur dasitzen und abwarten. Also habe ich den anderen Menschen im Flüchtlingsheim geholfen. Entweder als Dolmetscherin bei sprachlichen Schwierigkeiten oder aber auch bei Fragen zu den Abläufen für Neuankömmlinge.“ Als sie auch nach sieben Monaten keine Aussicht auf Arbeit hatte, stand für Elvan fest, dass sie es in Deutschland versuchen möchte. Das nötige Geld für die Reise lieh ihr ihre Schwester, die in London lebt. Mit dem Flugzeug ging es zunächst nach Schweden und von dort aus mit dem Bus über Dänemark und Hamburg nach Rostock.
Angekommen in Deutschland stand für sie vor allem eins auf der Agenda: Deutsch lernen. Dank ihres Fremdsprachengeschicks fiel ihr das nicht schwer. So konnte Elvan auch schnell bei einer Sozialinitiative als Dolmetscherin arbeiten und Kulturprojekte begleiten. Die Suche nach einer neuen Arbeit führte Elvan 2018 ins nordrheinwestfälische Wuppertal-Langerfeld. Ihr war besonders wichtig, dass der neue Job mit ihrem Privatleben vereinbar ist, da Elvan zweifache Mutter ist. Also begann sie eine Umschulung zur kaufmännischen Angestellten mit dem Schwerpunkt Büromanagement. Heute absolviert Elvan im Rahmen dieser Umschulung ein Praktikum bei Vebego. Und das gefällt ihr so gut, dass sie nach der Abschlussprüfung gerne hierbleiben möchte. „Ich habe mich sofort Willkommen gefühlt. Vebego akzeptiert Menschen so wie sie sind. Ganz egal, woher sie kommen. Meine Kolleg*innen geben mir sehr viel. Gleichzeitig habe ich aber auch das Gefühl, ihnen etwas zurückgeben zu können.“
Auf die Frage, wie es ihr heute nach diesem langen Weg geht, antwortet Elvan lächelnd: „Mein Leben in Deutschland hat mir wieder Stabilität gegeben. Ich entwickle mich von Tag zu Tag weiter. Ich bin wieder glücklich.“ Komplett mit Syrien abschließen kann und will sie aber nicht. „Syrien ist meine Heimat und ich versuche, eine Art Brücke zwischen den Kulturen zu bauen. Ich habe weiterhin einen engen Kontakt zu meinen Eltern, die in einem Dorf in Nord-Aleppo leben. Und die Familie ist die kleine Gesellschaft.“